Tag 46 bis 53 – Kennedy Meadows bis Bishop

16.06.2017 – Da sitz ich nun, auf der Terrasse vor dem Kennedy Meadows Store. An dem Ort wo die Wüste zu Ende sein soll und die Sierra beginnt. Aber ich habe mir das irgendwie anders vorgestellt. Die Sierra sollen ja dieses Jahr ganz viel Schnee haben. Nur ist von Schnee weit und breit nichts sichtbar. Auch dacht ich die Temperaturen werden milder sein, aber aktuell ist es auch hier knapp 40 Grad warm. Und die Wettervorhersage verspricht in den nächsten Tagen sogar noch wärmeres Wetter. Irgendwie ganz schön verrückt.
Ich bin aber doch ganz stolz, dass ich es bis hier hin geschafft habe und somit die erste grosse Etappe gemeistert habe. 700 Meilen liegen nun definitiv hinter mir. Ein guter Zeitpunkt um es etwas zu geniessen und sich mit den anderen hikern auszutauschen. Viele stellen sich immer noch die Frage: "Die Sierra flippen/skippen oder nicht?". Im Moment ist dies sogar das absolute Thema Nummer eins. Aufgrund der massiven Schneemenge raten die meisten Experten davon ab den PCT durch die High Sierra überhaupt zu gehen. Es sei zu Gefährlich. Andere sind der Meinung, dass nur Wanderer mit entsprechender Hoch Gebirgserfahrung den Trail gehen sollen. Und dann gibt es noch diejenigen die der Meinung sind, dass es mit der entsprechenden Ausrüstung (Spikes/Crampons und Ice Axe) machbar ist. Viele Hiker haben sich daher entschlossen die Sierra zu flippen oder skippen. Die einen lassen sich also in den Norden fahren und laufen dann von Ashland her zurück und machen so die Sierra später. Andere überspringen die Sierra komplett und laufen den PCT fertig. Ich habe für mich entschieden die Sierra sicher mal bis Independence zu gehen und mir dabei einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Bis dahin dürfte es rein vom Schnee her auch kein Problem sein. Zudem habe ich meine "Alpine"-Ausrüstung um eine Ice Axe und ein Paar Micro Spikes sowie einen Bear Food Canister ergänzt.
Am Abend treffe ich Zsolt (Gorge) wieder. Ich habe mich schon gefragt wo er geblieben ist. Er erzählt uns, dass er die nächsten 40 Meilen bereits gelaufen ist und kehrt gemacht hat. Es habe teilweise zwei und mehr Meter Schnee. Ihm sei dies, mit dem vielen Schnee, zu gefährlich und er breche daher hier ab und fliege nach Hause. Er zeigt uns auch einige Schneefotos. Ich habe jedoch so meine Zweifel, dass dort auf den Fotos wirklich zwei Meter Schnee liegen soll. Aber anyway, meine Entscheidung ist getroffen.
Im Nachhinein habe ich gehört, dass mehr als 70 Prozent die Sierra geflippt oder geskippt haben sollen.

Der nächste Morgen beginnt mit einem "All You Can Eat Pancakes"-Frühstück im Grumpy Bear's Retreat. Das Restaurant liegt rund 3 Meilen vom Store entfernt. Um sieben Uhr geht das erste Shuttle. Mit etwa 15 anderen Hikern quetsche ich mich auf den PickUp. Gut, ist es nur eine kurze Fahrt. Im Restaurant heisst es dann erstmals Schlange stehen. Die Bestellung aufgeben geht dann aber ziemlich zügig. Um einiges länger ging es dann aber bis das Essen kam. Der Pancake war so gross, dass er weit über den Tellerrand aushing. Weitere 15 Minuten, oder mehr, kamen dann auch noch die Potatoes mit Eier und Speck dazu. Auch wenn "All You Can Eat" sehr verlockend tönt war dieses Frühstück nicht so das Wahre. Der Pancake war so gross, dass die meisten von uns (inkl. mir) ihn gar nicht erst aufessen konnten. Ehrlich gesagt hat mich das viele vorige Essen im Müll echt genervt. Hätte ich vorher gewusst wie gross der Pancake ist hätte ich ihn wohl gar nicht erst bestellt.
Viel zu viel Pancake

Nach dem Frühstück geh ich noch kurz beim Triple Crown Outfitter vorbei. Ein kleiner Store zuhause bei den Autoren von Yogi's Handbook. So wie es aussieht wurde auch das Haus erst vor kurzem fertiggebaut. Alles sieht noch ganz neu aus. Ich finde alles was ich brauche und sogar noch ein kleines Überraschungsgeschenk für Dirt face und Elephant (Riccarda und Patricia)

Ich kaufe noch einige Lebensmittel für die nächsten Tage ein und mache mich am nächsten Morgen wieder auf den Weg, zurück auf den Trail.

Während den ersten 20 Meilen seh ich nicht viel Schnee. Ab und zu hat es Schneehaufen neben oder auf dem Trail. Aber nichts von Bedeutung. Was jedoch massiv zugenommen hat sie die Moskitos. Ich habe noch extra ein Armband in Kennedy Meadows gekauft was sie fern halten sollte. Nur scheint es sie überhaupt nicht zu beeindrucken. Sobald ich mal kurz stehen bleibe, beissen die Viecher zu.

Bei einer kurzen Pause treffe ich auf eine Gruppe. Da höre ich doch tatsächlich Schweizerdeutsch. Es ist die Gruppe Taylor & Swiss. Drei Schweizer (Patrick, Manuel und Jan) und ein Amerikaner (Taylor) die zusammen den PCT wandern. Ich glaube sie waren ganz schön überrascht als ich sie auf Schweizerdeutsch ansprach.


Als ich mich dann den 40 Meilen, welche Zsolt gelaufen ist, nähere liegt doch einwenig mehr Schnee. Immer häufiger ist auch der Trail unter Wasser. Einige Meilen später verliere ich dann auch das eine oder andere Mal kurz den Trail. Aber dank GPS ist das jeweils kein grosses Problem. Der Trail ist schnell wieder gefunden. Im späteren Nachmittag steht dann mein erstes River crossing an. Dabei treffe ich erneut auf Taylor & Swiss. Kurz vor dem Creek hängt eine Notiz von einem Ranger der uns davor warnt den Creek auf dem normalen Weg zu überqueren. Wir entscheiden uns daher für den einen Vorschlag von ihm und versuchen es durch die Meadow. An diese Stelle ist der Fluss nicht so stark und auch nicht tief. Dafür müssen wir aber länger durchs Wasser watschen da die Meadow komplett überflutet ist.

Dank der Ranger Notiz ist das erste River crossing ganz gut gelungen. Da nun Schuhe und Socken Nass sind campieren wir alle direkt am Fluss. Und ja der Creek scheint an dieser Stelle ziemlich stark zu sein. Später hören wir eine Geschichte von einem Paar bei welchem die Frau mehrere hundert Meter von der Strömung mitgerissen wurde. Ihr Partner konnte ihr nicht helfen. Sie hatte jedoch Glück und konnte sich selber wieder ans Ufer retten. Eine grauenhafte Vorstellung, denn neben der enormen Wassermenge ist das Wasser auch noch Eiskalt.

21.06.2017 – Auf über 10'000 Fuss (3'000 Meter) liegt nun immer häufiger Schnee. Sogar soviel, dass ich das erste Mal "Schlitteln" darf. Wow, war das ein Spass!
Kurz darauf steht dann bereits das nächste River crossing an. Der Fluss kommt direkt aus einem See und ist daher noch nicht so stark. Aber bereits am Morgen früh schon Nasse Füsse?!? Ich bin nicht wirklich begeistert. Und suche daher mit zwei anderen eine trockene Möglichkeit den Fluss zu überqueren. Und wir wurden einige paar Meter Flussabwärts auch fündig. Ein Baumstamm liegt über den Fluss. Das Spezielle daran ist nur, dass er nicht waagrecht liegt sondern man muss ihn aufwärts gehen. Meine Freude ist daher nur von kurzer Dauer. Mir ist das Log crossing noch nicht so ganz geheuer. Ich hab ehrlich gesagt noch einwenig Angst das Gleichgewicht zu verlieren. Trotzdem, ich will jetzt keine Nasse Füsse. Jan ist bereits oben. Zu meiner Erleichterung kann ich ihm meinen Rucksack und meine Stöcke übergeben. So dürfte das Problem mit dem Gleichgewicht gelöst sein. Aber der Blick auf das drunterliegende Wasser macht mich dann doch wieder unsicher. So krieche ich halt den Baumstamm, auf meinem Hintern, aufwärts.

Es geht weiter in Richtung Mount Whitney. Mit 14'505 Fuss (4'421 Meter) ist er der höchste Berg in den USA. Bis auf die Bergspitze sind es 8 Meilen und etwas mehr als 1'300 Höhenmeter. Nach ein paar Meilen liegt einiges Schnee auf dem Trail. Durch die Sonne ist der Schnee schon ziemlich weich und das gehen fällt schwerer.

Nach den Schneefeldern folgen dann die Switchbacks und es geht stark aufwärts. Hier liegt zwar nicht mehr soviel Schnee aber wenn dann so, dass der normale Weg nicht begehbar ist. Hier ist dann jeweils klettern angesagt. Nicht immer ganz einfach. Mir fällt der Aufstieg auch immer schwerer. Ich fühle mich nicht so topfit. Vermutlich liegt es daran, dass ich mich beim letzten resupply einwenig verkalkuliert habe. Ich habe zuwenig Frühstücke und Snacks eingekauft. Taylor hat mir freundlicherweise zwar bereits mit einpaar Outmeals ausgeholfen, aber dennoch habe ich vermutlich viel zu wenig Kalorien zu mir genommen.
Kurz vor sieben erreiche ich dann völlig erschöpft die Bergspitze. Die letzten hundert Meter waren noch einmal ziemlich hart. Der Trail und der Hang waren komplett Schneebedeckt. Es war erneut Freestyle klettern angesagt und dies im Schnee. Aber hey, ich habe es geschafft und befinde mich nun auf dem höchsten Berg in den USA! Was für ein super Gefühl.

Auf der Spitze befindet sich eine Hütte die im Notfall dazu gedacht ist Schutz vor Sturm und Blitzen zu bieten. Nur ist leider die Türe und ein Fenster gebrochen. Der eigentliche "Schutzraum" ist Schneegefüllt und entsprechend unbenutzbar. Wir wollen unbedingt den Sonnenuntergang und auch den Sonnenaufgang erleben und entscheiden uns daher hier zu übernachten. Campieren auf dem Peak. Verrückter geht es wohl kaum.

Sonnenuntergang auf dem Mt. Whitney

Ich habe die Nacht ganz schlecht geschlafen. Es war ziemlich windig und das Zelt hat die ganze Zeit geflattert. Kurz nach fünf heisst es dann aber trotzdem aufstehen. Der Sonnenaufgang steht kurz bevor. Und ja, die Anstrengungen gestern und das abenteuerliche Übernachten hat sich gelohnt. Es ist fantastisch!

Der Mt. Whitney war kurze Zeit Schweizerterritorium 🙂

Der Abstieg fällt um einiges leichter. Der Schnee ist am Morgen noch schön hart und daher einfacher zu gehen. Kurz vor zehn erreichen wir dann auch das Campsite wo wir gestern einiges von unserer Ausrüstung deponiert haben. Ein älteres Schweizer Ehepaar hat freundlicherweise auf unser Equipment aufgepasst. Sie sitzen seit zwei Tagen hier fest. Beim Abstieg vom Mount Whitney hat sich der Mann den Fuss vertretet. Der Fuss ist nun so massiv angeschwollen, dass er nicht mehr gehen kann.

Taylor & Swiss und ich beim Abstieg von Mt. Whitney

Einer aus unserer Gruppe fehlt noch. Manuel hat sich auf dem Trail mal kurz für die Toilette verabschiedet. Als er jedoch nach mehr als einer Stunde immer noch nicht aufgetaucht ist geht Patrick den Weg zurück und sucht nach ihm. Einen Moment später tauchen beide wieder auf und Manuel erzählt von einem besonderem Erlebnis. Ein anderer hiker hatte die Höhenkrankheit und brauchte Medizinische Hilfe. Ein Ranger war bereits vor Ort und der Helikopter unterwegs. Manuel wurde um Mithilfe gefragt und Unterstützte bei der Bergung des erkrankten hikers.
Als er dann im Camp seine Ausrüstung wieder zusammenpackte merkt er, dass sein Schlafsack fehlt. Er weiss nicht mehr ob er ihn heute morgen eingepackt hat oder eventuell vorhin bei der Hilfeleistung ausgepackt und liegen gelassen hat. Er läuft also die Strecke, ca. 1 Meile, zurück und sucht nach seinem Schlafsack. Ohne Schlafsack kehrt er nach einer Weile zurück. Er hat ihn vermutlich auf dem Mount Whitney liegen gelassen. Das Ehepaar bietet ihm dann einen ihrer Schlafsäcke als Überbrückung an. Er könne ihn für sie dann in Bishop deponieren. So hat er für die nächsten zwei Nächte wenigstens einen Schlafsack und kann sich in Bishop einen neuen kaufen.

Seht ihr ihn auch, den Vogel?

Nach mehr als drei Stunden machen wir uns wieder auf den Weg. Heute stehen noch drei weitere River crossings an.

Damit die Kleider nicht Nass werden gehen die einen von uns sogar nur in Unterwäsche durch den Fluss. Mir war das ehrlich gesagt dann aber definitiv zu kalt. Obwohl natürlich trockene Kleider schon verlockend sind.

Nach acht Uhr erreichen wir dann ein Campsite wo wir die Nacht verbringen.

23.06.2017 – Heute steht der erste richtige Pass auf dem Plan. Es geht wieder massiv aufwärts. Der Forester Pass befindet sich auf 13'200 Fuss und ist somit der Höchste Punkt auf dem Pacific Crest Trail (Mt. Whitney liegt nicht auf dem PCT). Hier sind die Micro Spikes definitiv hilfreich, denn es liegt einiges mehr Schnee auf dem Weg zum Pass. Das gehen auf den Suncups (Wellen im Schnee) ist ziemlich anstrengend und bremst den Aufstieg stark.

Von unten sehe ich den Trail im Berg. Sieht ganz schön abenteuerlich aus.
Und das ist es auch. In steilen Hängen geht es über einige Schneefelder aufwärts.
Das letzte Stück Schnee vor dem Pass ist dann doch sehr speziell und lässt uns alle mal kurz tief durchatmen.

Nach gut vier Stunden haben wir es dann geschafft. Der erste Major Pass auf dem PCT ist geschafft. Es ist ein unglaubliches Gefühl hier oben zu stehen.

Nach einer kurzen Pause geht es dann an den Abstieg. Auf der Nordseite liegt noch mehr Schnee. Wir nehmen daher gerne mal die Abkürzung und Rutschen den Berg hinunter.

Wir achten zwar beim Rutschen immer gut darauf wo irgendwelche Felsen oder Baumstrünke sein könnten, damit wir uns nicht verletzen. Aber Manuel schafft es trotzdem sich beim Rutschen den Po aufzureiben. Seine Shorts sind beim Rutschen dermassen nach oben gerutscht, dass seine blanken Po-Backen auf dem Schnee rutschten. Aua!
Ich habe jedoch meinen Spass beim "Schlitteln". 🙂

24.06.2017 – Heute geht es nach Bishop über den Kearsarge Pass. Der Pass gehört ebenfalls nicht zum PCT ist aber einer der wenigen Möglichkeiten nach Bishop, Independence oder Lone Pine zu kommen. Der sieben Meilen lange side Trail führt an mehreren Bergseen vorbei und ist eigentlich einfach zu gehen. Wenn da bloss nicht soviel Schnee wäre. Vor dem Aufstieg treffe ich dann aber erst noch mein erstes Reh auf dem PCT an.


Nach dem Überqueren des Passes erreichen wir den Onion Valley Trailhead und hoffen auf einen Hitch oder uns ein Uber-Taxi bestellen zu können. Das doofe daran ist nur, dass wir einerseits keinen Handyempfang haben und anderseits ein Teil der Strasse, zum Trailhead, für Fahrzeuge gesperrt ist. Die Strasse wurde durch das viele Schmelzwasser aufgerissen und ist nicht befahrbar. Bis nach Independence sind es aber doch mehr als 10 Meilen den Pass herunter. Wir hoffen fest schon eher Handyempfang zu haben. Kurz nachdem wir dann den gesperrten Strassenabschnitt passiert haben kommt uns ein schwarzer PickUp entgegen. Es ist doch tatsächlich ein Trail Angel, den die anderen schon kennen. Er ist mehr oder weniger zufällig hier und nimmt uns auch gleich mit. Ein unglaublicher Trail Magic!
In Independence müssen jedoch vier von uns wieder aussteigen. Das Problem ist, dass vier von uns hinten auf der Ladefläche platz nehmen mussten und dies sieht die Polizei hier gar nicht gerne. Taylor & Swiss steigen daher aus und hitchen von Independence nach Bishop. Bong, Scally und ich können sitzen bleiben und fahren nach Bishop.
Da der Po von Manuel noch nicht wirklich besser ist, oder anders gesagt er noch immer nicht richtig sitzen kann, nehmen wir hier einen Doppel zero. Dabei gönn ich mir einen Kinobesuch und schaue das erste Mal einen Film in English ohne Deutschen Untertitel. Ich habe mir den neuen Transformer angeschaut. Das Kino ist richtig cool, die Kassen sind aussen am Gebäude, innen ein kleiner Kiosk mit Popcorn, Snacks und Drinks und im Saal gilt freie Platzwahl. Obwohl ich leider nicht alles vom Film verstanden habe hat es mir sehr gut gefallen! Den Film werde ich sicher noch einmal in Deutsch oder zumindest mit Deutschem Untertitel schauen.

2 Gedanken zu “Tag 46 bis 53 – Kennedy Meadows bis Bishop

  1. Hoi Michi, Dein Tracking lässt sich ja wunderbar verfolgen, aber gibt’s keine neuen Impressionen mehr ?? Kann mir allerdings schon vorstellen, dass es mega anstrengend ist … Weiterhin alles Guete auf dem Trail und einen erfolgreichen Abschluss Deiner Riesenwanderung !! Gruess, Jenz

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