Tag 38 bis 45 – Tehachapi bis Kennedy Meadows

09.06.2017 – Um viertel vor Vier erreicht der Bus dann endlich die Haltestelle beim Trail. Mit einer guten Stunde Verspätung laufen wir, Papa Hom!e und ich, los.
Der Wind weht wieder ziemlich stark, und wie soll es auch anders sein, geht es mit entsprechendem Gegenwind den Berg aufwärts. Dazu wiegt mein Rucksack wieder wie eine Tonne Steine. Nicht gerade ein angenehmer Start. Aber wenn mich so richtig über etwas (oder mich selbst) nerve, habe ich auf einmal eine Menge Energie und geh ab wie ein Zäpfchen.

Ronja wollte mir noch schreiben wo sie Übernachten wird, damit wir uns dort treffen können. Nur wenn wenn ich auf mein Handy schaue wird das vermutlich schwierig – no Service. Na gut, da ich ca. 3 Stunden nach ihr gestartet bin werde ich sie vermutlich so wie so nicht mehr einholen. Also such ich mir nach knapp 12 Meilen zwischen einigen Bäumen und Sträuchern einen windgeschützten Platz für mein Zelt.

10.06.2017 – Der heutige Tag beginnt kalt und feucht. Es sind nur gerade mal 13 Grad Celsius. Dazu windet es immer noch gewaltig. Zeit also mal meine Regenjacke auszuprobieren.
Gegen neun Uhr treff ich auf Spirit und Luxury. Wir unterhalten uns einwenig und auf einmal meint Spirit: "warte mir gefallen die Wassertropfen in deinem Bart" und macht das obige Foto.
Ich geh noch ein Stück weiter in der Hoffnung der Nebel verzieht sich wenn ich etwas höher bin, aber er scheint heute etwas zäh zu sein. Also such ich mir einen Baumstamm zum sitzen und wärme mich kurz an einem heissen Kaffee auf.

Erst am Nachmittag verzieht sich der Nebel und die Sonne scheint wieder. Ich bin Froh kann ich endlich die Regenjacke ausziehen. Sie schützt zwar ganz gut vor äusserlicher Nässe und vor Wind, aber lässt halt eben nichts durch. Mein Hemd trieft nur so vor Nässe vom schwitzen.

Kurz vor halb vier Uhr erreiche ich meinen nächsten Meilenstein. Weitere hundert Meilen liegen hinter mir. Ich steh bei Meile 600. Das heutige Wetter hat mich müde gemacht. Bein einer nahgelegenen Wasserquelle stell ich mein Zelt auf. Um sechs liege ich bereits in meinem Schlafsack und versuch zu schlafen.

11.06.2017 – Als ich kurz vor fünf Uhr in der Früh erwache tropft es mir ins Gesicht. Regnet es etwa, frag ich mich. Es war doch gestern alles Wolkenfrei als ich schlafen ging. Alles im Zelt ist Nass. Schlafsack, meine Kleider und ich. Also packe ich meinen nassen Schlafsack ein und steig in die feuchten Kleider. Als ich dann aus dem Zelt krieche merke ich, dass rundherum mehr oder weniger alles trocken ist. Von Regen ist weit und breit nichts zu sehen, aber der Nebel hängt wieder recht tief. Naja, kommt davon wenn man sein Zelt ohne Aussenhülle unter einem Baum aufstellt. Da tropft es bei Nebel halt schnell mal von den Blättern.

Heute verschwindet der Nebel wenigstens bereits schon am Vormittag und ich darf einen wolkenfreien blauen Himmel geniessen. Nur plagen mich seit gestern Hüftschmerzen die heute noch schlimmer sind. Ich lockere deshalb den Hüftgurt und ziehe dafür die Schultergurte etwas enger. So hab ich zwar mehr Last auf den Schultern und dem Rücken, aber dafür werden hoffentlich meine Hüften etwas entlastet. Naja, wirklich besser geht das gehen immer noch nicht. Es fühlt sich an, als fehle mir im linken Bein sämtliche Kraft. Also nehme ich halt noch zwei Ibu. Wenig später scheinen die Schmerzmittel zu wirken und das gehen fällt schon wieder viel einfacher.

Auf einmal steht vor mir ein grösseres Tier auf und läuft vor mir her. Erst denke ich an einen Hund, da ich gerade gestern bei der Wasserquelle jemanden getroffen habe, die mit ihrem Hund den PCT geht. Ich hat doch etwas Mitleid mit diesem Hund, er schien ebenfalls unter den Strapazen des Trails zu leiden. Er konnte nach dem er gelegen ist kaum richtig gehen und legte sich gleich wieder hin. Ich kenn das bei mir nur zu gut. Wenn ich mal irgendwo gesessen bin und dann wieder aufstehe spüre ich jeden einzelnen Muskel in den Beinen und es dauert einen kurzen Augenblick bis ich wieder normal gehen kann.
Aber als ich diesem Tier näher komme merke ich, dass es kein Hund sein kann. Nur ist es etwa ein Wolf, ein Kojote oder ein Fuchs? Erst als ich sehr nahe bin erkenne ich einen Fuchs. Irgendwie schien er sich nicht weiter an mir zu stören. Er blieb, wie ich, einfach stehen. Wir schauten uns an und ich dachte mir: "und jetzt?". Erstmal mach ich ein Foto, dann versuch ich mit etwas Lärm ihn zu verscheuchen. Aber ausser einem kurzen Zucken und ihn die Knie gehen rührte er sich nicht vom Fleck. Gut, viele andere Möglichkeiten habe ich nicht. Der Trail führt nun mal hier vorbei und er steht direkt am Trail. Also geh ich langsam auf ihn zu. Er zieht dann ebenfalls, sehr gemütlich, weiter.


12.06.2017 – Der Montag startet doch einiges freundlicher als die vergangenen zwei Tage. In den vergangenen Tagen kam wieder mal kurz der PCT-Koller bei mir auf. Der: "Was mach ich bloss hier…" fragende. Er verschwand aber auch sehr schnell wieder.

Aber meine Hüftschmerzen wollen einfach nicht besser werden. Ich bin daher sehr froh als ich am Abend die Cabin und die Wasserquelle beim McIver Spring erreiche. Die Cabin sieht von aussen noch ganz gut aus, aber innen ist sie nur dreckig. Gut hat es neben an viel Platz für mein Zelt.

13.06.2017 – Es ist zwar noch nicht lange her als ich das letzte Mal in einer Stadt war und keine Meile lief, aber ich denke meine Hüfte wird es mir danken kurz auf den Rucksack zu verzichten. Mein nächstes Ziel ist also der Walker Pass von wo ich dann versuche einen Hitch nach Lake Isabella zu kriegen.

Kurz bevor ich den Parkplatz am Walker Pass erreiche liegt da wieder dieser blaue Deckel am Boden. Coppertone ist da! Sein letzter Stopp bevor er wieder nach Hause fährt. Es ist daher heute schon etwas besonderes ihn das letzte Mal auf dem Trail zu sehen. Einige Male hat er mich mit seinem Camper und seinem Root beer Float Ice Cream überrascht. Es war immer sehr angenehm bei ihm! Ich verabschiede mich daher auch ganz herzlich bei ihm und drück ihm einen schönen Tip in die Hand.
Kurz vor zehn Uhr in der Früh steh ich dann mit zwei weiteren am Strassenrand und versuche einen Hitch nach Lake Isabella zu kriegen. Drei mal die Woche fährt sonst auch ein Bus von und nach Lake Isabella, aber nicht heute.
Lange müssen wir nicht warten und schon hält ein Camper und nimmt uns mit. Es ist wohl der witzigste und abenteuerlichste Hitch überhaupt welcher ich bis jetzt erleben durfte.
Lake Isabella liegt rund 38 Meilen entfernt und ist mit einem Auto in ca. 45 Minuten zu erreichen. Unsere Fahrt dauerte fast drei Stunden!
Wir stiegen also in den Camper ein und nahmen auf dem Sofa platz. Um uns herum lag viel Spielzeug, ein Gummiboot und eine grosse Hundebox. Dazu kamen neben der Mutter, die den Camper fuhr, noch vier Hunde und sieben Kinder. Für Unterhaltung während der Fahrt war also schon einmal gesorgt. Sämtliche Sitzmöglichkeiten waren überbelegt und wirklich Platz um sich zu bewegen war nicht vorhanden. Die Mutter schien aber so weit alles unter Kontrolle zu haben. Die Hunde bellten ab und zu mal, weil die Kinder sie in der Hundebox einwenig reizten und die Kinder rangelten hin und wieder miteinander. Nun ja, wir waren bis dahin schon sehr gut unterhalten. Nach gut 16 Meilen knallte es dann ziemlich heftig und es roch nach verbranntem Gummi. Da war es im Camper gleich ziemlich schnell still. Wir fuhren rechts ran und die Mutter ging nachschauen. Ein hinterer Reifen ist geplatzt. Sie versucht über das Handy einen Pannendienst zu erreichen, hat aber keinen Empfang. Keiner von uns hatte Handy empfang also entschied sie sehr sehr langsam weiterzufahren. Der Camper hatte hinten zwar doppel Bereifung aber kein Reserverad. Gut bis nach Onyx sind es noch knapp zwei Meilen und vielleicht hat es dort ja eine Garage. So die Hoffnung. In Onyx angekommen hatte es zwar eine Tankstelle aber die schien schon seit längerem verlassen zu sein. So fuhren wir im Schritttempo weiter. Noch immer kein Handy empfang und es klapperte nur so im Camper. Die Kinder schien das alles nicht sonderlich zu beeindrucken, es ging gleich weiter wie vorhin, obwohl das klappern war um einiges lauter. Einige Meilen später hatten wir dann wieder Handy empfang und wir konnten den Pannendienst erreichen. Nur kommt dieser Pannendienst anscheinend nicht zu uns, sondern wir müssen zu ihm. Die Garage befindet sich irgendwo nach Lake Isabella. Also müssen wir noch weitere Meilen mit einem geplatzten Reifen im Schritttempo fahren.
Sechs Meilen vor Lake Isabella dann die nächste schlechte Nachricht. Sie weiss nicht ob das Benzin noch bis zur nächsten Tankstelle reicht. Der Tank sei so gut wie leer. Wir drei schauten uns an und konnten uns das lachen fast nicht verkneifen. Die ganze Fahrt war bis jetzt so aussergewöhnlich und unterhaltsam. Da ist es einfach extrem schwierig ernst zu bleiben. Schlussendlich hat dann das Benzin aber doch noch gereicht und sie konnten uns sicher in Lake Isabella absetzen und ihre Fahrt zur Garage fortsetzen.

Bevor ich zum Motel gehe, kauf ich im Supermarkt noch ein paar Getränke ein. An der Kasse bemerke ich, wie die Kassiererin mit einer anderen Kundin über jemanden spricht der schlecht riecht und seit längerem wohl nicht mehr geduscht haben soll. Da ich der nächste in der Schlange war nehme ich an sie meinten mich. Die Kassiererin ging dann soweit, dass sie ihr Shirt über die Nase nach oben zog. Leider war ich zu wenig spontan für einen Spruch, aber für ein breiteres Lächeln hat es dann doch gereicht.
Es war das erste Mal während meinem Hike wo jemand der Art negativ auf meinen Körpergeruch reagierte. Viele lassen sich nichts anmerken. Und das schlimme daran ist, ich selbst riech es nicht einmal. Aber Scout und Frodo haben uns schon in San Diego vorgewarnt, dass dies si sein wird. Ich bin dann auch gleich direkt zum Motel und ab unter die Dusche.
Auf dem Weg zur Wäsche ruft mir auf einmal Luxury zu. Sie und Spirit sind ebenfalls in diesem Motel. Ich erzähl ihr von meinen Hüftschmerzen worauf sie mir eine Übung zeigt mit der ich sie wieder loswerden soll. Ein Art Skifahrer mit abgedrehtem Oberkörper in der hocke. Sieht völlig bedeppert aus, aber tatsächlich, kurze Zeit später lassen die Schmerzen nach. Nach dem Wäschewaschen erledige ich dann, geduscht, auch gleich noch meine Einkäufe bei Vons.

14.06.2017 – Kurz nach dem Mittag machen wir (Luxury, Spirit und ich) uns dann auf den Weg zur Bushaltestelle. Heute ist nämlich einer dieser Tage wo ein öffentlicher Bus zum Pass fährt. Wir scheinen nicht die einzigen Hiker zu sein. 18 Hiker warten auf den Bus. Der Bus ist dann auch gleich voll nachdem wir eingestiegen sind. Heute habe ich keinen verschlafenen Busfahrer erwischt sondern einen kleinen Rennfahrer. Er fuhr die kurven reiche Passstrasse so zügig aufwärts, dass es mir und auch weiteren ganz schön anders wurde. Nach etwas mehr als einer Stunde haben wir dann den Pass erreicht und können zurück auf den PCT.


15.06.2017 & 16.06.2017 – Mein letztes Camp vor Kennedy Meadows South ist bei Fox Mill Spring. In der Nähe einer einstigen Mühle von der nur noch das Fundament und viel Schrott zu sehen ist. Von hier sind es noch knapp 20 Meilen bis nach Kennedy Meadows. Kurz nachdem ich mein Zelt aufgestellt habe treffen auch Fireball, Honey Bun, Knock on wood und Cold-blooded ein. Den Trail Namen Cold-blooded trägt Ronja weil sie sich im Hotel über die Klimaanlage beschwert hat.
Nach dem Abendessen spielen wir gemeinsam noch ein paar Runden Karten, unteranderem "Bullshit". Es war eine sehr angenehme und unterhaltsame Partie.

Nun stehen die letzten Meilen in der Wüste von Kalifornien an. Kennedy Meadows ist der Übergang von der Wüste in die Sierra. Ich bin richtig gespannt wie es dann weiter geht. Bis vor kurzem war ich mir noch nicht sicher ob ich die Sierra überhaupt machen soll. Aber bis Lone Pine soll der Trail noch Schneefrei sein und daher Problemlos machbar.

Es ist schon ein sehr spezielles Gefühl als ich in Kennedy Meadows ankomme. Siebenhundert Meilen liegen hinter mir. Der erste Abschnitt des Pacific Crest Trails ist geschafft. 45 Tage mit teilweise über 40 Grad Celsius im Schatten sind überstanden. Irgendwie noch gar nicht so ganz fassbar aber ein schönes Gefühl als ich beim Store ankomme und die anderen Hiker jubeln und klatschen. Was für eine tolle Begrüssung!
Da kommt mir in den Sinn, ich hab doch noch den kleinen Jägermeister von Riccarda und Patricia im Gepäck…

3 Gedanken zu “Tag 38 bis 45 – Tehachapi bis Kennedy Meadows

  1. Schön, wieder einmal etwas von Dir vom PCT zu lesen ( auch wenn Du datumsmässig noch um e i n i g e s hinterher hängst 🙂 Nichtsdestotrotz: vielen Dank für die neuen Berichte und schönen Fotos !!!

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  2. Noldi aus dem Baselbiet
    Hey Michi , verfolge deinen Beitrag von Anfang an. Hans hat mir von deinem Trail erzählt.
    Hochachtung was du da leistest !!! Freue mich auf den nächsten Beitrag wünsche dir alles gute und gute Gesundheit. Noldi

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